Human Error Root Cause Analyse (HERCA) – Beispiel

Untersuchung eines Arbeitsunfalls

Ausgangssituation

Am Mittwoch, den 23. August 2023 ging Herr Müller aus der  Vormontage ins Magazin neben der Endmontage. Draußen ging seit 12:15 Uhr ein Platzregen nieder. Auf dem Rückweg durch das Kleinteilelager rutschte er gegen 14:00 Uhr wegen einer Pfütze auf dem Boden neben Regalplatz 4711 aus. Er fiel so unglücklich auf den Boden, dass er sich das Handgelenk brach.

Herr Müller fällt für ca. 3 Monate aus.

Peter Cartus - RCA-Akademie - Ereignis- und Fehlerursachenanalyse-Arbeitsunfall

Problembeschreibung / -definition

Fassen Sie  in der Problembeschreibung alle Fakten zusammen, die Sie nach dem Unfall gesammelt haben. Sie müssen noch nicht vollständig sein.

Definieren Sie als “Hauptproblem” danach die Auswirkungen des Vorfalls auf die Unternehmensziele.

Ziel: Alle an der Problembeschreibung beteiligten Mitarbeiter undFührungskräfte haben ein gemeinsames Verständnis, was passiert ist und welches “Hauptproblem” auf jeden Fall zukünftig vermieden werden soll.

Peter Cartus - RCA-Akademie - Ereignis- und Fehlerursachenanalyse-Problembeschreibung

Ursachenanalyse

Visualisieren Sie entsprechend dem Zeitstrahl die ersten bekannten Fakten analog zur “5xWarum?”-Fragetechnik in einer Ursache-Wirkungskette.

Ermitteln Sie jetzt in Interviews mit Beteiligten und Zeugen alle weiteren Einflussfaktoren, die den Vorfall bzw. den Fehler begünstigt haben.

Erweitern Sie die Ursache-Wirkungsbeziehungen der Handlungen (von Personen), Ereignisse (z.B. Platzregen) und Bedingungen (z.B. glatter Boden) mit “und”-Verknüpfugen zu einem Ursachenbaum.

Hören Sie bei den Ursachen auf “Warum?” zu fragen, die außerhalb Ihres Kontrollbereichs liegen (–> STOP-Zeichen). Fehlen Ihnen noch Informationen, setzen Sie ein Fragezeichen.

Aber denken Sie daran: je mehr latente Ursachen im System Sie identifizieren, um so mehr Möglichkeiten zur Verbesserung Ihrer Prozesse haben Sie, um das Risiko für eine Wiederholung des Vorfalls zu minimieren.

Kennzeichnen Sie vermutete Ursachen asl solche, bis sie deren Wirkung auf die entsprechenden Effekte nachgewiesen haben (–> Kausalität).

Ziel der Ursachenanalyse ist, dass alle im Unternehmen nachvollziehen können, wie und warum der unerwünschte Vorfall pasiert ist.

Verbesserung

Legen Sie abschließend unter Berücksichtigung von Aufwand und Nutzen soviele Verbesserungsmaßnahmen fest wie möglich. Je mehr Ursachen aus den Ursache-Wirkungsketten entfernt werden, umso geringer ist das Risiko für eine Wiederholung des Vorfalls.

Ein Nebeneffekt: Sie eliminieren latente Schwachstellen im System, die eventuell in einem anderen Szenario einen anderen Vorfall oder Fehler begünstigen könnten.

Nchdem Sie festgelegt haben, was, von wem, mit wem bis wann erledigt werden soll, könen Sie jetzt mit einem Aktionsplan die Umsetzung der Verbesserungsmaßnahmen nachverfolgen.

Nach einer gewissen Zeit sollten Sie mit einer Prozessvalidierung überprüfen, ob alle Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt und dauerhaft angewendet werden.

Peter Cartus - RCA-Akademie - Ereignis- und Fehlerursachenanalyse-Verbesserung

Zusammenfassung

  1. Die Human Error Root Cause Analyse (HERCA) ist eine geeignete und leicht anzuwendente Methode bei der Untersuchung von einzelnen unerwünschten Ereignissen bzw. Vorfällen.
  2. Für die Untersuchung sind jedoch andere Werkzeuge notwendig, als für die Lösung von chronischen oder technischen Problemen.
  3. Es gibt bei (komplexeren) unerwünschten Vorfällen nicht die eine (!) Hauptursache und nicht die eine (!) Lösung.
  4. Der Fokus bei einer Untersuchung muss auf dem (Arbeits-) Prozess und den Einflussfaktoren liegen, die den Mitarbeiterfehler begünstigt haben.
  5. Diese störenden Einflussfaktoren müssen in der Ursachenanalyse durch Visualisierung der einzelnen Ursache-Wirkungsbeziehungen (–> unsicheren Handlungen und Bedingungen) identifiziert und möglichst komplett eliminiert werden, um das Risiko für die Wiederholung des gleichen Problems zu minimieren.
  6. Einflussfaktoren können sein: Arbeitsumgebung, Betriebsmittel, psychische und physische Einschränkungen, Informationsfluss, Zusammenarbeit mit Führungskräften und Kollegen, Qualifikation, usw.
  7. Diese Einflussfaktoren lassen sich nur durch eine offene Kommnukation mit Betroffen und Beteilgten ermitteln.
  8. Voraussetzung für eine effektive und effiziente Ereignis- und Feherursachenanalyse ist deshalb eine entsprechende psychologische Sicherheit bzw. Fehlerkultur, in  der offen über Schwachstellen und Missstände gesprochen werden darf.
  9. Wenn diese Methoden, Routinen und Techniken bereits bei “kleineren” Problemen, Verletzungen, Beinaheunfällen usw. angewendet werden, um die Schwachstellen in Prozessen zu minimieren, umso eher können Vorfälle mit katastrophalen Auswirkungen vermieden werden.

Mit Anwendung dieser Prinzipien sind Sie dann auf einem guten Weg, Arbeitsunfälle, Kundenreklamationen, Produktionsprobleme usw. wegen Mitarbeiterfehlern in den Griff zu bekommen.